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Hugin

Andreas Kühnen (37) hat Geografie in Tübingen und Eichstätt-Ingolstadt studiert und sich schon in dieser Zeit auf Geoökologie, Entwicklungsländer und Fernerkundung spezialisiert. Heute besitzt er ein sehr erfolgreiches eigenes Unternehmen, das in Sachsen für seine Geschäftsidee ausgezeichnet wurde.

Die mit den Raben fliegen


Den Preis gab es für das beste Geschäftskonzept beim IT-Existenzgründerwettbewerb. Die im Jahr 2000 gegründete Hugin GmbH befasst sich mit der Auswertung von Satellitenfotos und gehört zu den innovativsten Unternehmen im europäischen Geoinformationsmarkt.

Innovativ ist auch der Name: Als wir nämlich alle noch keine richtigen Deutschen, sondern noch Germanen waren, hatten wir einen Gott Namens Odin. Der – so erzählt man sich – hatte zwei Raben auf seinen Schultern sitzen. Die flogen des Morgens los und sahen sich die Welt an. Am Abend berichteten sie Odin, was es Neues gibt. Einer dieser beiden Pioniere der Geoinformationsbranche hieß Hugin.

Auch heute fliegen Andreas Kühnen und sein Geschäftspartner Christoph Böhm nicht selbst. Sie lassen fliegen, von Amerikanern und Europäern, und kaufen die Bilder. Bei hoher Auflösung kostet der Quadratkilometer Kabul oder Jena, Mexiko-City oder Köln 30 Euro.

Die Gründung

Nach dem Studium waren Andreas Kühnen und Christoph Böhm in einem ähnlich gelagerten Betrieb beschäftigt. Das Problem: Es lief alles in eingefahrenen Gleisen. Ideen für neue Geschäftsfelder waren nicht zu verwirklichen. So blieb nur die Gründung des eigenen Unternehmens. Und weil im Osten leichter an Fördermittel zu kommen war und auch die Mieten moderat sind, entschlossen sie sich, den Firmensitz nach Jena zu legen – mit einer Niederlassung im sächsischen Freiberg. Natürlich spielte dabei auch eine Rolle, dass die Friedrich-Schiller-Universität in Jena Fernerkundung ausbildet, und auch die Nähe zu den Geologen der TU Bergakademie Freiberg und dem Institut für Kartographie der TU Dresden ist von Nutzen. Schließlich braucht ein wachsendes Unternehmen gut ausgebildete Fachleute. Außerdem – so Andreas Kühnen – sitzen wir hier ziemlich genau in der Mitte Deutschlands, können jeden Kunden schnell erreichen.

Das traditionelle Geschäft

Elf Mitarbeiter beschäftigt Hugin heute – Kartographen und Luftbildauswerter, Mineralogen, Biologen, Ingenieure. In der interdisziplinären Arbeit steckt das Geheimnis und in neuen Technologien, die die Auswertung von Satellitenbilddaten verstärkt

Eine Industrieanlage in Chemnitz aus der Sicht des Satelliten. Bäume und Sträucher sind rot dargestellt.

automatisieren und es ermöglichen, bislang nicht erkennbare Informationen daraus zu generieren. Und so ist die Expansion programmiert. Andreas Kühnen denkt in der Perspektive an 50 bis 60 Mtarbeiter. Der Business-Plan dafür steht.

Das eigentliche klassische Kerngeschäft liegt in der Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden. Die Thüringer Landesanstalt für Umwelt und Geologie nutzt die Daten um Entscheidungen für künftige bauliche Entwicklungen zu treffen. Sie sind aktueller, als die neueste amtliche Karte und haben eine größere Informationsdichte. Exakt sieht man bei der Falschfarbendarstellung die überbaute Fläche, jeden Baum, jeden Strauch. Zusammenhängende Biotope sind erkennbar, und weil nun auch die Aufnahmen amerikanischer Spionagesatelliten aus den 60er Jahren freigegeben sind, lässt sich Siedlungsentwicklung historisch dokumentieren. Selbst die schwarz gebaute Garage hinter dem Haus kann man finden.

Die neuen Ideen

Die Auflösung der Bilder beginnt bei einer Rastergröße von einem Meter. Für alle großen Städte Deutschlands will Andreas Kühnen nun flächendeckend ein Archiv mit hochauflösenden Bildern zusammenstellen, den Raum zwischen den Städten mit einer Rastergröße von 20 Metern erfassen. Mit diesen bereits bearbeiteten Bildern geht er in Vorleistung. Dann können die Daten schnell und kostengünstig bei ihm vom Kunden abgerufen werden. Das jeweilige Bild muss nur noch für die speziellen Anforderungen des Kunden optimiert werden.

Der Stadtplaner, der eine Industriebrache überplant, sieht wo wirklich Bäume und Gebäude stehen. Das bietet keine Karte. Telekommunikationsunternehmen können künftige Standorte von Sendemasten festlegen. Die Besiedlungsdichte und der Erholungswert eines Quartiers wird deutlich. Speditionen, Verbrauchermärkte, Steinbrüche und Autohandel sind erkennbar, ebenso wie Kraftwerke, Mülldeponien und Kläranlagen. Man kann die Kaufkraft der Bewohner abschätzen und das Gebäudealter, sieht ob die Häuser mit Wintergärten oder Swimmingpools ausgestattet sind. Und so interessieren sich auch schon Immobilienmakler für das Material.

Der Markt ist grenzenlos

In Lagos, Nigeria, betreibt Hugin ein Tochterunternehmen. Der Grund: Die Stadtpläne, über die die Behörden verfügen, sind vier Jahrzehnte alt. Damals lebte eine halbe Million Menschen in der Stadt, heute sind es 15 Millionen – und sie wächst weiter. Mit konventioneller Vermessung lässt sich da kein Stadtplan erarbeiten. Wäre er mit ein riesigen Aufwand fertiggestellt, müsste er schon aktualisiert werden. Mit Satellitenbildern ist das relativ einfach. Das ist ein Problem, das alle Megastädte dieser Erde haben – in Lateinamerika, in Asien und in Afrika. Aber auch große Rückversicherer nutzen bereits die Dienste von Hugin, denn mit diesen Informationen lässt sich das Gefahrenpotential, dass z.B. im ständig wechselnden Lauf großer Flüsse in Entwicklungsländern schlummert, leichter einschätzen. Auch die UNO und die EU haben Bedarf bei der vergleichenden Auswertung großer Städte. Und für Industrieunternehmen, die sich in Fernost, Lateinamerika, China oder Russland niederlassen wollen, wird zukünftig im Vorfeld der Entscheidung die Zusammenarbeit mit den Jenaer Raben unverzichtbar sein.

 

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