Texte:

Lange-Uhren

Die Legende ist wieder Uhr


 

Im sächsischen Glashütte – etwa zwischen dem Uhrenmuseum in der Mitte des Ortes und dem südlichen Ortsausgang – sind auf rund einer Meile Unternehmen angesiedelt, deren Namen weltweit einen guten Klang auf dem Gebiet des exklusiven Uhrenbaus haben: Die Glashütter Uhrenbetriebe, die Nomos-Glashütte, Mühle und natürlich A. Lange & Söhne. Der Betrieb mit 290 Mitarbeitern führt seine Tradition direkt auf Ferdinand Adolph Lange zurück, der vor mehr als 155 Jahren die Glashütter Uhrenindustrie begründete. Zwischen 8.000 und 200.000 Euro kostet eine Uhr aus dem Betrieb, in der der Ingenieur für Feinwerktechnik Jens Schneider tätig ist.

Jens Schneider hat zuerst Uhrmacher gelernt und dann – damals gab es noch die Ausbildung in Glashütte – seinen Ingenieur für Feinwerktechnik abgeschlossen. Die Frage liegt nahe, ob er sich auch den umgekehrten Weg vorstellen kann. Hier zögert er, denn das Gefühl, das Verständnis für das Uhrwerk, sind für ihn entscheidend. Deshalb bildet Lange & Söhne auch jährlich neue Lehrlinge aus, von denen immer einige den Weg zum Ingenieur weitergehen. Andererseits ist es oft auch gut, wenn Einflüsse und Ideen von außen kommen, wenn zum Beispiel die Möglichkeit des Laser-Schweißens oder die Vorzüge keramischer Kugellager getestet werden. Da steht aber immer auch die Frage, ob die neue Technik mit der Philosophie des Produktes zusammengeht. Und außerdem brauchte der „Seiteneinsteiger“ eine beachtliche Zeit, um sich das erforderliche Fachwissen anzueignen. Wenn man Geräte für die Medizintechnik baut, geht es auch nicht ohne anatomisches Wissen. Der geradlinige Weg über die Lehre ist wohl bei diesen spezifischen Anforderungen der bessere.

Zwei Jahre für eine Uhr

Die Aufgabe von Jens Schneider ist der Zusammenbau der ersten Musteruhren einer neuen Konstruktion. Wenn er zu arbeiten beginnt, gibt es nur die Zeichnung und die Idee – und natürlich vorgefertigte Teile. Die meisten kommen aus dem eigenen Betrieb. Nur wenige Teile – z.B. Federn und Schrauben – sind zugekauft. Seine Aufgabe ist aber nun nicht einfach die Montage der einzelnen Elemente. Die Oberfläche muss bearbeitet werden. Für komplizierte Bereiche gilt es, in Zusammenarbeit mit den Technologen neue Werkzeuge zu entwickeln. Vorstellungen der Entwickler müssen korrigiert werden. Und dies ist nicht allein mit dem bei der Ingenieurausbildung erworbenen theoretischen Wissen zu machen, auch wenn Jens Schneider das für einen wichtigen Hintergrund hält. Wenn es aber um das Elastizitätsverhalten einer kompliziert geformten Feder während der Bewegung geht, dann hilft die Rechenkunst nicht weiter. Erfahrungen, Sensibilität und Gefühl sind hier gefragt.

Wie lange er an einer Uhr baut? Das ist recht unterschiedlich, aber zwischen einem halben Jahr und zwei Jahren rechnet er schon. Allein der Datograph an seinem Handgelenk besteht aus 390 Einzelteilen.

Die kostbare Legierung von Kunst und Mechanik

Nachdem das erste Muster fertig ist, wird es einem umfangreichen Test unterzogen, und dabei geht es nicht nur um die Ganggenauigkeit in verschiedenen Phasen der Entspannung der Feder, sondern auch um Stoß- und Schlagfestigkeit, um die Funktionalität auch bei extremen Temperaturen. Natürlich werden Lange-Uhren auch heute noch gesammelt, aber die Alltagstauglichkeit ist ein wichtiger Aspekt. Der wohlhabende Bauunternehmer oder der Architekt tragen sie auf der Baustelle, der Besitzer einer Yacht auch bei schwerem Wetter.

Für Jens Schneider ist die mechanische Uhr in ihrer Verbindung zwischen Technik und ästhetischem Anspruch ein Kunstwerk, ein Stück Kulturgeschichte der Menschheit. Sie beinhaltet die Erfahrung von Generationen und auch neue Entwicklungen. Sie ist selbst Kultur. Durch ihren gläsernen Boden sieht man das farbliche und mechanische Zusammenspiel der Teile aus verschiedenen Metalllegierungen und kunstvolle Gravuren. Sie misst die Zeit und ist doch gleichzeitig Ausdruck zeitloser Schönheit. In ihr stecken Mathematik, Mechanik und künstlerisches Einfühlungsvermögen – natürlich auch Silber, Gold, Platin und Diamanten. Jens Schneider:„Wenn ich einen Drücker am Datograph bediene, muss ich das gleiche angenehme Gefühl haben, wie beim Schließen der Tür eines hochwertigen Autos.“

Das Neue kommt aus der Tradition

„Eigentlich“, so der Ingenieur, „ist das was wir machen, nur ein verkleinerter Maschinenbau. Das Problem dabei ist: Wenn ich im normalen Gerätebau ein Werkstück mit einer Toleranz von einem hundertstel Millimeter herstellen kann, ist dies ein guter Wert. Bei der Größe unserer Werkstücke ist ein hunderstel Millimeter sehr viel. Man braucht Ideen, um dies zu kompensieren. Äußerst präzise optoelektronische Messtechnik wird hier eingesetzt.“

Kann es denn befriedigen, sein Leben lang in der Tradition zu arbeiten, gibt es Neuland, neue Herausforderungen. Für Jens Schneider schon. Die Entwicklung der Zero-Reset Einstellung, bei der der Sekundenzeiger beim Ziehen der Krone auf Null springt, oder der exakt springende Minutenzähler gehören dazu, auch das ewige Kalendarium mit Mondphase und Großdatumsanzeige und die Weiterentwicklung der Tourbillon-Technik für Armbanduhren. Dabei umschließt ein auf Diamanten gelagerter kleiner Käfig, der sich ein mal in der Minute um seine Achse dreht, das Hemmungs- und Schwingsystem. Das kompensiert die durch Armbewegungen entstehende Ungenauigkeit. Der Antrieb über Schnecke und Kette sichert ein konstantes Drehmoment in allen Phasen der Entspannung der Feder und ein Differential-Planetengetriebe den genauen Gang auch während des Aufziehens.

 

[Home] [Was kann ich für Sie tun?] [Die Prinzipien] [Kontakt] [AGB]