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Lehm

Lehm ist mehr als Eierpampe


„Vier Millionen Jahre Mensch“ - so wirbt derzeit landauf landab eine Ausstellung mit einem Jubiläum. Und auch wenn dies nicht auf den Tag genau zutrifft, ist es doch erstaunlich, wie lange so ein Produkt hält, das einst aus einem Klumpen Lehm geknetet sein soll. Für den Bauwilligen und denjenigen, der daran interessiert ist, dass die Schöpfung - sei sie nun teilweise aus Lehm oder auch nicht - noch ein paar Millionen Jahre Bestand hat, ist Lehm ein interessanter Baustoff. Mit dem Bau einer Kleckselburg am Strand von St. Peter-Ording hat ein Lehmbau wirklich nichts zu tun, auch wenn uns das manche Zeitgenossen heute noch glauben machen wollen.

Wir sprachen darüber mit Michael Reisinger vom Planungsbüro für gesundes Bauen in Radebeul, der gerade in Gröbern bei Meißen ein neues Haus aus Holz und Lehm fertig stellt, und wir fragten ihn: „Hat Lehm denn nun wirklich Vorteile, und es ein moderner Baustoff?“

Für den Lehm spricht seine Haltbarkeit: Das älteste erhaltene deutsche Fachwerk-Lehmhaus stammt aus dem Jahr 1327. In Indien gibt es 3000 Jahre alte Lehmhäuser, im Jemen 3600 Jahre alte. Ein Massivlehmhaus in Dothen, Kreis Jena, stammt aus dem Jahr 1592 und das Haus Rath in Weilburg mit fünf Vollgeschossen aus Lehm wurde 1873 errichtet. Auch das Hauptgebäude der Frankeschen Stiftung in Halle mit 141 Meter Länge und fünf Stockwerken hat 230 Jahre alte Lehmwände.

Die Ökobilanz ist sehr gut, denn zur Herstellung des Baumaterials ist keine aufwendige chemische oder thermische Behandlung nötig. Oft lässt sich eine Lehmgrube in der Nähe finden, die die entsprechenden Baustoffe liefert. Selten allerdings, denn oft ist er mit Humus oder anderen Begleitstoffen vermischt, lässt sich sogar das Material aus dem Baugrubenaushub verwenden. Auch der Holzschutz wird überflüssig. Michael Reisinger: „Die Gleichgewichtsfeuchte bei Lehm liegt bei nur 4,5 Prozent. Damit entzieht er den Schädlingen die Lebensgrundlage. Das Holz wird natürlich konserviert.“

Lehm ist physiologisch nicht nur unbedenklich, sondern äußerst wertvoll. Auch die Bauherren von Michael Reisinger hatten sich u.a. aus gesundheitlichen Gründen entschieden, ihr Haus am Hang in Gröbern bei Meißen aus Lehm zu bauen. Besonders Bauherren mit Allergien oder Asthma wählen den Lehm als Baustoff, weil der die Staubaufwirbelung erheblich senkt und eine konstante relative Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent garantiert. Außerdem bieten die massereichen Wände - Lehm speichert etwa das doppelte Energievolumen im Verhältnis zum Ziegel - in Verbindung mit einer in die Wand oder die Fußleisten eingelassenen Strahlungsheizung einen angenehmen Kachelofeneffekt.

Lehm ist ein idealer Baustoff für Eigenleistungen, denn er verzeiht kleine Fehler, zumindest sind sie reparabel. Allerdings sollte man nicht den großen Fehler machen, ohne fachkundige Begleitung und ohne z.B. den Besuch eines Lehmbauseminars an die Arbeit zu gehen. Grundregeln müssen auch bei Lehm beachtet werden, und ohne die fachkundige Beurteilung des Materials geht es ohnehin nicht.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass Lehm ein sehr moderner Baustoff ist. Gute Lehmgruben bieten heute Massivlehmsteine und -platten, Holzlehmsteine und Holzlehm-Elemente mit hervorragenden Wärmedämmwerten, Sonderformate zur Ausfachung historischer Fachwerke, Recycling-Kork, Leichtlehm-Füllmasse und Wärmedämmputze sowie Lehmpulver zur Lehmputz- und Mörtelherstellung und auch verarbeitungsfertigen Lehmputz in unterschiedlichen Farben. An Fertigprodukten in der Kombination Lehm und Hanf sowie Lehm und Stroh wird gearbeitet, bzw. sie sind schon im Angebot.

Trotzdem, so Michael Reisinger, sollte man auf die Preise achten. Und auch eine erfahrene Zimmerei sollte gewählt, die von vornherein darauf achtet, dass nur im Winter geschlagenes Holz verwandt wird. Von Vorteil ist, wenn sie schon an Lehmbauten gearbeitet hat.

Das Haus bei Meißen übrigens bietet bei 16 Metern Länge und sieben Metern Breite. Der Zuschnitt des Grundstücks machte dies erforderlich. Damit kommt es auf eine Wohnfläche von 220 Quadratmetern. Auf einem Streifenfundament aus Beton wurde das Kellermauerwerk aus Liapor errichtet. Darüber das eigentliche Haus mit 36 Zentimeter starken Leichtlehm-Außenwänden. Das Gemisch aus Holzhackschnitzeln und Lehm wurde von der Bauherrenfamilie in Eigenleistung eingebracht.

An einem Südhang gelegen, öffnet sich das Haus zur Sonne, so dass kostenlose solare Energiegewinne möglich sind, die von massiven Lehmwänden gespeichert werden. Mit Lärchenholz, das einen silbernen Farbton annehmen wird, ist es verkleidet und mit geflammten, naturgebrannten Dachziegeln entwickelt es eine eigene Ästhetik.

 

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