Texte:

Passivhaus

Die Passivhaus-Gurus


Ein Leipziger Ingenieurbüro bietet Häuser – fast – ohne Heizung an.

„Alle freuen sich über die Öko-Steuer – die einen, weil sie nicht noch höher ausgefallen ist, die anderen, weil sie sie nicht bezahlen müssen. Das sind die, die mit uns gebaut haben. Noch sind sie in der Minderheit.“ – So eröffnet Harald Stahr vom Leipziger Ingenieurbüro Naumann und Stahr unser Gespräch. Und auch wenn dies nicht jeder so einfach unterschreiben wird: Harald Stahr weiß, wovon er redet. Die Ingenieure bauen ausschließlich Passivhäuser. Und für die gab es u.a. den Joseph-Umdaschpreis-Preis der Universität Wien 1997, den Innovationspreis Thermie/Joule 1997 der EU, den Innnovationspreis OPET Sachsen/Thüringen 1999 und den Sächsischen Innovationspreis Holzbau 2000. Eine Fachzeitschrift verglich die 100 besten Niedrigenergie- und Passivhäuser Deutschlands. Naumann und Stahr kamen dabei mit ihrem Haus „Knauthain“ auf den niedrigsten Heizenergiebedarf aller Mitbewerber. Nur fünf Kilowattstunden je Quadratmeter und Jahr werden benötigt, um das Haus warm zu halten.

Was wird gebaut?

Die Leipziger bauen keine Niedrigenergiehäuser, denn warum soll man ein Haus mit einer zwar ökologischen aber teuren Holzpelletheizung bauen, wenn es auch ohne diese geht. Natürlich liegt das Passivhaus rund zehn Prozent über den Baukosten des normalen Hauses. Aber das ist eine Frage der Werte. Noch investiert der deutsche Bauherr und besonders die Bauherrin locker 30.000 bis 40.000 € in Küche und Bad, und prüft dann, ob noch etwas für Solaranlage und Wärmerückgewinnung übrig geblieben ist. Das dürfte sich in Zukunft ändern.

Bei Naumann und Stahr beginnt es wie fast überall mit der Planung des Hauses durch den Architekten. Harald Stahr: „Man kann – theoretisch – ein Passivhaus in jeder Gestalt bauen. Aber je größer die Außenfläche des Hauses, umso höher der Wärmeverlust. Das fordert mehr Dämmung und erhöht den Preis pro Quadratmeter Wohnraum.“ Deshalb werden auch die Verkehrsflächen im Haus zugunsten der Wohnflächen minimiert. Und der Kniestock ist mindestens 1,40 Meter hoch. Das schafft Wohnraum.

Nun ist ja bekanntlich die Kugel jener Körper, der den größten Rauminhalt bei kleinster Oberfläche hat. Deshalb sehen manche Passivhäuser auch aus, wie ein frisch gelandetes Ufo, in dem Commander Spock seinen Lebensabend verbringt – und darauf reagieren die örtlichen Baubehörden oft mit einer ganz schlichten Ablehnung. Die Häuser aus Leipzig sehen aus, wie andere Häuser auch. Natürlich verzichten sie auf viel Schnurrfax, auf Erker, Vor- und Rücksprünge. Und sie heißen, wie die Orte, in denen sie stehen: Knauthain, Stendal, Bismark – nun kommen fünf Häuser in Aalen hinzu.

Wie wird gebaut?

Und trotzdem sind es ganz besondere Häuser. Stahr: „Wir verwenden dazu einen Doppel-T-Träger von Doka. Der ist aus Holz. Innen wird maßgenau eine OSB-Platte eingepasst, die gleichzeitig eine aussteifende Funktion übernimmt. Das ist also etwas anders, als beim normalen Holzbau, wo die Holzplatte außen aufgesetzt ist. Selbstverständlich haben wir uns diese Bauweise schützen lassen. Die in Niesky hergestellten wandgroßen Elemente sind so steif, dass sie als einziges Holzbausystem in Deutschland bis zu einer Bauhöhe von fünf Etagen zugelassen sind. Wir erreichen das weltweit größte Rastermaß im Holzrahmenbau.“

Auf der Baustelle werden die Elemente montiert. Sie sind außen mit einer Holzzementplatte und innen mit Gipskarton verkleidet. Bevor sie mit der Zellulosedämmung (28 cm und 9,5 cm) ausgeblasen werden, kommt der Blower-door-Test, bei dem das Haus auf seine Dichtheit überprüft wird. Fertig ist der Rohbau. „Beim Standard-Aufbau kommen wir auf einen U-Wert (früher k-Wert) bei Wänden, Dach und Fußboden zwischen 0,1 und 0,13. Die dreifach verglasten Fenster kommen auf rund 0,75.

Trotz dieser günstigen Werte ist der vom Passivhaus-Institut in Darmstadt vorgeschriebene Verbrauch von maximal 1,5 Litern Öl oder 15 Kilowattstunden je Quadratmeter und Jahr rein rechnerisch schwer zu erreichen. Aber es wird geschafft. Die Praxis sieht jedoch besser aus, als die Theorie. Stahr: „Wir haben noch kein Haus gebaut, das über einem Liter verbraucht, oft sind es nur 0,5 bis 0,7 Liter je Quadratmeter und Jahr“.

Weil die Heizung praktisch nichts mehr verbraucht, wird die Warmwasserbereitung zum bedeutendsten Energiefresser. Und dafür bekommen die Häuser thermische Solaranlagen, die diesen Bedarf zu rund 80 Prozent abdecken.

Zur Philosophie von Naumann und Stahr gehört, dass sie jeden Radikalismus vermeiden. Die Solaranlage für die Warmwassergewinnung, die Zusatzheizung und die Wärmerückgewinnung müssen ohne Bedienungsanleitung mit einem einfachem Drei-Stufen-Schalter zu benutzen sein, ohne dass das Haus aus dem Tritt kommt. Natürlich gehört der Einsatz ökologisch geprüfter Baustoffe und auch der Einbau einer Regenwassernutzung zu den Prinzipien. Auf Holzschutzmittel wird verzichtet.

Wie funktioniert es?

Über einen Erdwärmetauscher wird die Frischluft angesaugt und so schon vorgewärmt. Der warmen Abluft aus dem Haus werden rund 90 Prozent ihrer Energie entzogen und an die Frischluft abgegeben. Dieses Lüftungssystem ist nicht nur umweltfreundlich und spart eine ganze Menge Heizkosten, es ist auch für Allergiker ausgezeichnet geeignet: Selbst kleinste Sporen und Partikel werden aus der Frischluft herausgefiltert – bei gleichzeitig geregelter Luftfeuchtigkeit. Die dann noch benötigte Wärme liefern Kochplatten, Fernseher, Computer, Waschmaschine, Lampen, Kühlschrank und auch die Wärmeabstrahlung der Menschen. Lediglich für extreme Witterungssituationen oder zum schnellen Aufheizen nach dem Winterurlaub ist eine kleine Notheizung von ca. fünf Kilowatt erforderlich. Da reicht aber auch schon ein Ölradiator. Die Alternative dafür: Freunde einladen und Urlaubsdias zeigen – das heizt. Doch da geht schon wieder das Bier in die Kosten.

Ein wenig Pisa

Zehn Prozent liegen die Baukosten des Passivhauses über denen normaler Häuser. Das schreckt viele Bauherren ab. Sie rechnen nicht. Dabei sind es nicht nur die niedrigen Heizkosten, die selbst ohne weitere Öko-Steuer über die Jahre so manchen Euro sparen. Nicht nötig sind: Die teure Fußbodenheizung, der Schornstein, der Öltank, die Wartung des Brenners, die Rücklagen für die nach einigen Jahren fällige neue Heizung, die Kosten für den Schornsteinfeger usw. So übersteigt die Rendite der zusätzlich zu den normalen Baukosten eingesetzten Mittel die einer jeden Geldanlage bei weitem.

Außerdem wird gefördert was das Zeug hält. Und damit es uns so richtig schön leicht gemacht wird, haben Bund, Länder, Kommunen und Energieversorger insgesamt rund 2800 Förderprogramme für Passivhäuser und deren Komponenten erfunden. Das hat viel Mühe gemacht und unser aller Geld gekostet, also sollte man sie nutzen. Informationen dazu gibt es unter: www.passivhaus-institut.de, www.irea.de, www.bawi.de, www.ea-nrw.de, www.kfw.de, www.bund-bauen-energie.de. Die Homepage www.christian-rauch.de bietet eine umfangreiche Sammlung von Passivhaus-Links, rund 19.000 Seiten werden von Google bei der Eingabe von „Passivhaus“ aufgelistet. Das spricht für die Aktualität des Themas. Eine davon ist: www.naumannstahr.de.

 

[Home] [Was kann ich für Sie tun?] [Die Prinzipien] [Kontakt] [AGB]