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Scheune

Es muss nicht immer Neubau sein

Als man 1946 einer Umsiedlerin sagte, sie könne sich eine Wohnung in einer Scheune, hinten auf dem Feld, ausbauen, da war natürlich noch nicht abzusehen, dass hier - viel später - ein Heim entstehen wird, das seinesgleichen sucht. Und sicher spielten damals auch die traumhafte Lage und der herrliche Blick eine sehr untergeordnete Rolle. Drei Generationen lernten im Laufe der Jahrzehnte das Heim lieben. Nun reifte bei der heutigen Bauherrin, der Enkelin, der Entschluss zum Ausbau.

Ein glücklicher Umstand war, dass sich ein Architekt und eine Bauherrin fanden, die sich verstanden, und die sich recht schnell auf gemeinsame Prinzipien einigen konnten. Architekt Olaf Reiter, Dresden: „Ich hatte auch schon Bauherren, die sich am Schluss angesehen haben, was ich ihnen hingesetzt habe. Aber hier wurde diskutiert und gestritten.“ Die Prinzipien: Die historische Grundstruktur des Gebäudes, in dem nun nach dem Krieg schon drei Generationen aufgewachsen waren, sollten erhalten bleiben. Moderne Elemente sollten als Architektursprache unserer Zeit bewusst deutlich sichtbar sein, sich nicht altertümelnd dem Haus anbiedern. Und natürlich war sehr schnell Einigkeit über die Notwendigkeit ökologischen Bauens entstanden.

Wohnqualität der Sonderklasse

Als Olaf Reiter das Haus zum ersten Mal sah, konnte es seine bisherige Nutzung als Scheune und Stall nicht leugnen. Nur ein Teil des Erdgeschosses, rund ein Drittel des Hauses, war ausgebaut. Oben, wo noch Heu und Stroh lagerten, war eine alte Holzkonstruktion mit 16 Metern Spannweite sichtbar. Zu groß war das Gebäude, auch für die drei Generationen, die sich hier einrichteten. Es musste also gekürzt werden, und trotzdem sollten stimmige Proportionen entstehen.

Man Entschloss sich die Einliegerwohnungen der Großmutter und der Mutter im Erdgeschoss, über beide Seiten des Hauses anzuordnen. Im Obergeschoss wollten sich die Bauherren selbst einrichten. Hier entstand, dank des vorhandenen knorrigen Gebälks, ein kombinierter Wohnraum mit Küche von immerhin 70 Quadratmetern. Die Holzkonstruktion wurde sichtbar in die Gestaltung einbezogen, kontrastiert nun mit der modernen Wendeltreppe aus Stahl, die auch die darüber liegende Galerie in moderner Stahlkonstruktion mit Schlaf- und Leseplatz erschließt. Zwei Kinderzimmer sind auch noch hier, und ein Bad.

Schönster Platz im Haus ist unbestreitbar die Fläche hinter dem modernen verglasten Erker. Von hier tut sich ein weiter Blick über die über die Sächsische Schweiz, den Königstein und das Bielatal auf.

Ästhetisch anspruchsvoll

In der Optik des Gebäudes hielten sich Bauherr und Architekt weitgehend an die vorhandenen Strukturen. Da aber die ursprünglichen Kubaturen des Hauses sowohl die Bedürfnisse wie auch die Möglichkeiten des Bauherren überstiegen, musste es um eine Achse an der Rückseite gekürzt werden. Zwei Stahlbalkone, verbunden durch einen Träger und wieder bewusst im Kontrast zum historischen Haus gestaltet, werden jetzt dort angebaut und seitlich mit Latten verkleidet. Sie machen die historischen Proportionen erlebbar. Neu in seiner auffallenden, aber nicht aufdringlichen Farbigkeit ist das Blau der Lattung. Neu auch das querliegende moderne Fenster rechts vom Glaserker, links die alten Fenster. Auch dieser Kontrast wirkt hier nicht störend, sondern selbstbewusst.

Umweltfreundliche Haustechnik

Die Technik: Die waldreiche Gegend machte den Einbau einer Holzheizung sinnvoll, die ihre Wärme auf einen Pufferspeicher abgibt. An diesem Speicher ist auch der Anschluss für die später vorgesehene Solaranlage installiert. Wenn kein Holz vorhanden ist und die Sonnenenergie nicht reicht, springt automatisch die Ölheizung an.

Sonnenenergie kommt aber auch durch das Dach. Da man den vorhandenen Bau natürlich nicht optimal zur Sonne ausrichten konnte und der Versuch, an einer Seite große Fenster vorzusehen, erheblich in die Substanz und den Charakter des Hauses eingegriffen hätte, wurde ein breiter gläserner Dachfirst aufgesetzt. Damit erhalten alle Bereiche, die im Inneren des Hauses liegen viel Licht. Die Sonnenwärme wird genutzt und zusätzlich ergeben sich noch reizvolle Schattenwirkungen und Kontraste durch das alte Gebälk. Mit Wärmedämmziegeln und einer Dämmung im Obergeschoss sowie unter dem Dach ergibt sich ein äußerst geringer Energieverbrauch.

Die abgelegene Lage machte einen Anschluss an die Kanalisation nicht möglich. Eine Fäkaliengrube hätte in Zukunft hohe Entsorgungskosten verursacht. Also entschloss man sich das Abwasser in einer Dreikammer-Kläranlage mit anschließender Schilfklärung zu reinigen. Selbstverständlich bot sich hier auch der Bau einer Regenwasserzisterne an, deren Wasser in einem Brauchwasserkreislauf u.a. für die Toiletten genutzt wird.

Sanieren oder bauen?

Gewiss, es ist fast müßig darüber zu diskutieren, was denn nun besser ist: Neubau oder der Erhalt vorhandener Bausubstanz. Zu viele Umstände spielen da eine Rolle, und wer hat schon eine Scheune mit so einer Aussicht im Garten herumstehen. Aber unter den Angeboten der Immobilienmakler sind viele Schnäppchen, die sich hervorragend zum Eigenheim mit Charakter und persönlicher Note ausbauen lassen. Wer nicht unbedingt auf einen Wohnsitz im Speckgürtel der Landeshauptstadt angewiesen ist, sollte sich umsehen. Teurer als ein Neubau mit zwei Einliegerwohnungen ist dieses Projekt auf keinen Fall gekommen, meint Olaf Richter. Darüber hinaus ist natürlich auch die Nutzung bereits vorhandener bebauter Flächen ein Beitrag zum Umweltschutz und zur Landeskultur.

 

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