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Spuren

Die Spur der Steine


Anfang Mai 2000 wurde das Wetterschutzdach einschließlich der acht Brückenkrane über dem Baukörper, in seine vierte Stellung auf die Höhe von 44 Metern angehoben. Die nächste Stufe wird 2002 mit 55 Metern erreicht. Dann wird das äußere Hauptgerüst aber nicht mehr auf der Erde aufsitzen und damit den gesamten Bau verdecken. Das Gerüst wird dann auf dem Hauptgesims montiert, so dass man ab 2002 zum ersten Mal die Kirche bis in diese Höhe frei sehen kann. Die technische Leistung nötigt Respekte ab. Wie aber brachte George Baehr die Steine auf die Kuppel?

Wir sprachen darüber mit Dipl.-Ing. Christoph Frenzel von der Architekten- und Ingenieurgesellschaft IPRO Dresden, die mit Statikern der Ingenieurgemeinschaft Fritz Wenzel und Wolfram Jäger das Projekt erarbeitet.

Zunächst wurde – wie bei allen Kirchen der damaligen Zeit - das Fundament bis 20 cm unter dem Geländehorizont aufgeführt und dann der Grundriss neu aufgerissen. Die steinmetzmäßig ausgearbeiteten und mit einem Rötel nachgezeichneten Messpunkte sind aufgefunden und weichen nur im Millimeterbereich von den Idealmaßen ab. Auf allen Seiten begann gleichzeitig der Bau. Die Steinmetzzeichen und das sehr unterschiedliche Fugenbild im unteren Teil der Kirche belegen, dass viele Meister am Werk beteiligt waren.

Im Kuppelbereich war dann nur noch ein Meister verantwortlich und George Baehr schrieb 1730, dass kein einziger Stein zur Kuppel verwendet werden soll, den er nicht selbst gesehen und gezeichnet habe. Ein exaktes Fugenbild, ein hoher Grad an Symmetrie und hohe Bauqualität waren das Ergebnis.

Während des Baus wurde ein Großteil der Steine – besonders an der Kuppel – erst nach dem Einbau an der Oberfläche mit dem Scharriereisen bearbeitet und in die endgültige Form gebracht. Belegt ist, dass dabei an von unten nicht oder schwer einsehbaren Stellen oft auch großzügig mit der Geometrie umgegangen wurde.

Heute ist es anders. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam eine neue Technologie auf, die auch heute noch eingesetzt wird. Die Steine werden bereits in den Brüchen nach einem steintechnischen Werkplan maßgenau gefertigt. Das erleichtert die Logistik und reduziert das Transportvolumen. Damit beschränkt sich die Arbeit auf der Baustelle auf das Versetzen der Werksteine und die Hintermauerung. Sogar die aus Holz gefertigten Lehrgerüste für die Bögen und Gewölbe werden auf einer Abbundfläche vorher zusammengefügt, wieder demontiert und am Einbauort montiert.

Ein Problem für Baehr war sicher der vertikale Transport der Steinmassen. 20.350 Kubikmeter wurden auf dem Wasserweg herangeschafft und waren schließlich aufzutürmen. Heute übernehmen die im Mittelteil auf einem schweren Stahlturm und außen auf einem Traggerüst ruhenden Katzbahnkräne diese Aufgabe. Ihre Konstruktion gestattet, die Steine auch über Eck an jeden beliebigen Punkt des Bauwerkes zu transportieren und millimetergenau abzusetzen.

Die übliche Technologie zu George Baehrs Zeiten war der senkrechte Hub mit einem Flaschenzug von Zwischenboden zu Zwischenboden des Gerüstes, oder auf einer Schrägrampe im Gerüst mit Fuhrwerken, Rollen und Steinkarren, auch mit großen Seilwinden, die durch Personen in Treträdern angetrieben wurden. Bemerkenswert dabei ist, dass bei der Frauenkirche keine Aussparungen für die ursprüngliche Gerüstbefestigung gefunden wurden. Ein selbst tragendes Gerüstsystem, dessen Lasten direkt in den Boden abgetragen wurden, muss vorhanden gewesen sein.

Während der archäologischen Enttrümmerung wurde jedoch eine weitere interessante Entdeckung gemacht. Im Treppenturm A waren alle Stufen in ihrem Mittelteil schräg herausgeschnitten und nachträglich ergänzt. Da dies nur in diesem Turm und bei allen Stufen war, ist kaum anzunehmen, dass es sich hier um eine normale Reparatur der Steine handelt. Alles spricht dafür, dass man die so entstandene schräge Rampe für den Transport, möglicherweise auch mit Eseln oder Pferden genutzt hat.

Auf diesem Weg kamen die Steine und anderes Baumaterial bis zum Beginn der Kuppel. Diese ist ein symmetrisches zweischaliges Radialmauerwerk, dessen unterer Teil noch senkrecht ist. Die äußere – und von außen sichtbare – Kuppel ist an ihrer Basis 1,70 Meter dick, nach oben verjüngt sie sich auf 1,20 Meter. Wesentlich dünner (25 cm) ist die innere Schale, die aus dem Kirchenschiff zu sehen ist. Beide Schalen sind durch Rippen und Bögen verbunden, auf denen ein ca. 220 Meter langer Wendelgang nach oben führt. Vom Turm A gelangten Personen und Material über das Chordach zu diesem Wendelgang und dann zur Baustelle.

Für das eigentliche Versetzen der Steine kamen drei damals bekannte Möglichkeiten zur Anwendung. Große Steine und Bildhauersteine wurden mit dem „Wolf“ versetzt. Dafür wurde eine sich nach innen erweiternde Ausarbeitung in den Stein gehauen. Zwei Eisenkeile und ein Dorn, an dem der Stein aufgehängt wurde, wurden eingebracht. Die Masse des Steines erzeugte so die nötige Reibung, und nach dem Absetzen der Last ließen sich die Hilfsmittel leicht entfernen. Mit einer Zange wurden damals – und werden heute – kleinere Steine für das Hintermauerwerk versetzt. Die sehr großen, acht bis neun Tonnen schweren Steine der Frauenkirche wurde an Gurtbändern oder Seilen aufgehängt und dann auf die auf dem Mauerwerk liegenden Abstandshalter mittels eines Flaschenzuges aufgesetzt. Als Abstandshalter verwendete man damals Holzkeile, Schiefer oder Pläner, heute Blei- oder bei größeren Gewichten Kunststoffplättchen. Dabei muss das Material so gewählt werden, dass durch das Gewicht des Steines und des darüber lastenden Bauwerkes keine Druckpunkte entstehen, die zu Spannungen und Rissen im Stein führen. Nach dem Absetzen konnten die Bänder herausgezogen werden, die Fugen wurden mit Hanfschnüren abgedichtet und die Hohlräume mit flüssigem Sumpfkalkmörtel vergossen.

Wenn das Wetterschutzdach seine höchste Stellung mit 66 Metern erreicht haben wird, werden darüber „nur“ noch Laterne und Turmkreuz zu errichten sein. George Baehr hat diese letzten Arbeiten am ursprünglichen Bauwerk nicht mehr erlebt, denn er starb 1738. Die Laterne der Kirche, eine mit Kupferblech verkleideten Holzkonstruktion, wurde erst 1743 fertiggestellt. Beim Wiederaufbau ist das Aufsetzen des Turmkreuzes mit dem Kaiserstab, einer Seele, die bis in die Mitte der Laterne reicht, ist mit dem Autokran vorgesehen.

Stiftung Frauenkirche

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K
onto-Nr. 4 594 885 00, BLZ 850 800 00

 

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