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Virtuelle Stadt

Die virtuelle Stadt an der Neiße


Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit, aber auch der Fachwelt, entwickelte sich in den letzten Jahren zwischen dem datacenter Schwarzenberg und den Görlitzer Stadtplanern eine Zusammenarbeit, die zu einem Ergebnis führte, das europaweit einmalig ist.

Es begann damit, dass Görlitz diese Firma beauftragte, eine digitale Stadtgrundkarte zu erarbeiten. Dies bedeutete die Zusammenfassung von Vermessungsergebnissen mit der Digitalisierung analoger Kartenwerke zu einem blattschnittfreien und maßstabsfreien zweidimensionalen Gesamtplan. Da im datacenter auch eine Abteilung bestand, die die Aufgabe hatte, sich mit dem rechnergestützten Entwurf von Bauwerken zu befassen, lag es nahe, diese Bereiche zusammenzuführen. Es wurde eine Software entwickelt, mit der das elektronische dreidimensionale Gebäude in den Lageplan eingefügt werden kann. Im Grunde ging es um die Kopplung von Vermessung und Baukonstruktion. Natürlich funktionierte das nicht nur bei der Einfügung von Neubauten in vorhandene Grundrisse, wenngleich dies das einfachste ist. Das datacenter ist heute imstande, vom Architekten entworfene Bauwerke direkt einzulesen. Aber auch vorhandene Gebäude können vermessen und eingefügt werden.

Das Neue

Zwei eigentlich naheliegende, aber in dieser Form noch nirgendwo begangene Schritte folgten. Erstens: Der zweidimensionale Grundriss der Stadt wurde um die dritte Dimension erweitert, erhielt die topographischen Reliefs der Landschaft. Und zweitens wurden neben der terrestrischen Vermessung Luftaufnahmen angefertigt, die einen Überblick über die Dachlandschaft, über Traufhöhen, Gauben und Walme vermittelten. Nachdem auch dies in das elektronische Modell eingebaut war, lag zum ersten Mal das virtuelle Bild einer Stadt - von Görlitz - vor. Die Gebäude wurden nun mit einer "elektronischen Tapete", mit Fenstern und Türen, versehen.

Warum das alles? Lohnt der Aufwand? Stadtplaner und Architekten können sich heute jede geplante Änderung in der Stadt, jeden Neubau und Abriss, elektronisch aus jedem beliebigen Blickwinkel betrachten. So können sie die Wirkung auf das Gesamtbild der Stadt beurteilen. Die bei dem vom Tischler hergestellten Stadtmodell einzig mögliche Hubschrauberperspektive hat unendlich viele Alternativen bekommen, eben auch die Blickwinkel, die der Bürger und Besucher einer Stadt hat. Man kann durch die elektronische Stadt spazieren, Blickbeziehungen aufnehmen und beurteilen. Es ist damit möglich zu prüfen, wie der Obermarkt ohne und mit dem bis in das 18. Jahrhundert dort stehendem Salzhaus aussieht, wie sich ein neues Gebäude in seiner Kubatur einfügen würde. Man kann entscheiden, ob die geplanten Veränderungen an der Ratsapotheke sinnvoll sind, kann ohne Aufwand neue Gebäude einbauen und wieder entfernen. Wenn Umbauten an historisch wertvollen Gebäuden geplant sind, ist es möglich, die "elektronische Tapete" abzunehmen und - wie beim Görlitzer Modell - z.B. in den Schönhof zu gehen. Man kann die Wirkung der Umbauten im Inneren betrachten, ja selbst aus dem Fenster blicken.

Aussichten

Das in Schwarzenberg in dieser Vollständigkeit entwickelte Verfahren bietet  in seiner Dimension heute überhaupt noch nicht absehbare Möglichkeiten. Bei EUROPAN 4 erhielten die Architekten bereits dreidimensionale elektronisch erarbeitete Vorlagen. Sind alle Büros mit dieser Technik ausgerüstet, können Architekturwettbewerbe mit absolut gleichen Ausgangs- und Bewertungsbedingungen für alle ausgeschrieben werden. Dann wird nur noch Architektur in ihrer künstlerischen Handschrift die Entscheidung beeinflussen und nicht mehr die optische Gestaltung der Arbeit. Virtuelle Stadtführer auf CD-Rom könnten entwickelt werden. Und natürlich lassen sich so auch behördliche Entscheidungen erheblich beschleunigen und sachkundiger fällen. Investitionen könnten mit beachtlichem Zeitgewinn realisiert werden.

In Görlitz, wo seit Jahrhunderten die Grundstücksgrenzen unverändert sind, gibt es bereits eine etwa 15-minütige Abfolge von Bildern, die die Stadt in ihrer historischen Entwicklung, im Ablauf der Zeiten von der Besiedlung über Stadterweiterungen und Brände, Neubauten in deren Ergebnis, den Bau von Befestigungen und deren Abriss darstellt. Aber auch bei Neubauprojekten auf der "grünen Wiese" bieten sich Möglichkeiten, die vom dreidimensionalen elektronischen Entwurf und seiner Bewertung in der Landschaft - auch mit Wolken und Bäumen - bis hin zur elektronischen Hausverwaltung, der Archivierung und Bewertung des Gebäudes einschließlich des letzten Wasserhahnes reichen.

 

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